Deutsch-Deutsches Museum, Mödlareuth

Realisierungswettbewerb mit städtebaulichem Ideenteil

Ein Ort der Erinnerung an die Teilung unseres Landes

Gebäudekonzept
Mödlareuth steht auf ganz besondere Weise für die Teilung Deutschlands – das hier vorgeschlagene neue Museumsgebäude ist Eingang und Auftakt in eine Welt der Erinnerung. Am Ortseingang gelegen, entsteht durch die Positionierung des Neubaus eine eindeutige Adresse, die großzügige Formulierung des Eingangs heißt alle Besucher willkommen. Das weich in die Landschaft eingebettete Gebäude integriert sich in die Topographie und bildet gleichzeitig ein Eingangstor zur musealen Erkundung des Ortes. Die Erscheinung des Museums – ein Artefakt in der Landschaft, sucht über die Materialität aus Stampfbeton, mit Zuschlägen aus Thüringer Schiefergestein die Verortung mit der Landschaft, Form und Eigenständigkeit allerdings schaffen wohltuende Distanz zur vorhandenen Bebauung und zeigen den Neubau zugehörig zu den ebenso vormals künstlich gesetzten Grenzmonumenten. Die Zugangsseite, mit leistungsfähiger Erreichbarkeit und Parkierung für die Fahrzeuge der Besucher, ist klar getrennt von der ruhigen, dem Ort Mödlareuth zugewandten Museumsterrasse – dem Ausgangs- und Endpunkt für alle Rundwege im Freigelände. Vom zentralen Eingangsbereich übersichtlich erschlossen, befindet sich links das Café mit Seminarbereich und rechts die Ausstellungsräume mit inszenierten Ausblicken auf das Freigelände. Der Tag in Mödlareuth kann sowohl im Ausstellungsbereich, als auch erst mit einem Rundgang durch das Freigelände beginnen, welcher nach der Erkundung des Ortes wieder auf der Museumsterrasse mündet und so zum Ausstellungsbesuch oder einem Café einlädt. Der Eingangsbereich ist als permanenter Durchgang, auch während der Schließzeiten vorstellbar, wobei dann Café und Ausstellung mit Einfachverglasung abschließbar wären. Die geforderte Anlieferung für die Ausstellung wird ohne zusätzlichen Aufwand über große Öffnungen im Eingang gut erreichbar angeboten. Bibliothek und Verwaltung liegen vom Trubel abgewandt im Souterrain, sind aber dennoch gut an die öffentlichen Bereiche des Museums angebunden. Alle öffentlichen Bereiche des Museums sind auf einer Ebene organisiert und damit barrierefrei erreichbar. Schwellenlose Eingänge und eine übersichtliche Gestaltung sorgen für eine einfache Orientierung. Für das Souterrain mit Verwaltung und Lagerbereichen wird ein Aufzug angeboten.

Konzeptioneller Ansatz Freiraum
Mödlareuth als Symbol der deutschen Teilung ist in seinem Erscheinungsbild und in seiner Struktur bis heute von der Geschichte der deutschen Teilung geprägt. Die baulichen Anlagen, die eine konsequente Trennung zwischen Ost und West sicherstellten, sind heute noch im Dorfbild ablesbar – sie sind ein Fußabdruck der Geschichte. Das freiräumliche Gesamtkonzept sieht vor, diesen Fußabdruck im dörflichen und landschaftlichen Kontext herauszuarbeiten, ihn mit dem Museumsneubau zu verbinden und sowohl für die Museumsbesucher als auch für die Dorfbewohner auf unterschiedlichen Ebenen erfahrbar und nutzbar zu machen. Die Gestaltung des Fußabdruckes, den die historischen Grenzanlagen im Dorfkontext hinterlassen haben, verwebt die historische Ebene der Deutschen Teilung mit der räumlichen Realität des Dorfes und verdeutlicht so die herausragende Bedeutung für den Ort in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Positionierung und Gestaltung der Themenstationen zeigt den historischen Mauerverlauf auf und setzt die vorhandenen und verschwundenen historischen Spuren in Szene.

Wegenetz
Das Wegenetz ist so angelegt, dass ein klar ablesbarer Rundweg, vom Museumsneubau startend, durch den musealen Freibereich entlang der Themenstationen führt. Ergänzende Stichwege leiten die Besucher zu unterschiedlichen, besonderen Orten außerhalb des Kernbereichs, die einerseits wechselnde Perspektiven auf das Dorf und die Grenzanlagen erzeugen, andererseits noch vorhandene Spuren nachvollziehbar machen.

Mauerverlauf
Das Aufzeigen des historischen Mauerverlaufs wird bewusst nicht als erhabenes Element verbildlicht, sondern als Leerraum gestalterisch übersetzt. Im Kernbereich wird der ehemalige, nicht mehr sichtbare Mauerverlauf als Teil des Hauptweges nachvollziehbar: eine strenger, axialer Hauptweg führt entlang des Mauerverlaufs, ein „leerer“ mauerbreiter Streifen aus Betonbruch, eingebettet im Weg selbst, bildet den Fußabdruck der Mauer nach. Auch im Bereich der unteren Mühle erfolgt die Kennzeichnung des Mauerverlaufs über ein identisches, wenn auch deutlich schmäleres Wegeband mit einem Streifen aus Betonbruch in der Breite der ehemaligen Grenzmauer. Im Bereich des östlich gelegenen Feldes wird der Mauerverlauf mittels zweier paralleler, leicht erhabener Betonbänder dargestellt, die den Originalverlauf einfassen. Auch hier wird der inzwischen verschwundene ehemalige Mauerverlauf als leerer Raum erfahrbar.

Themenstationen
Die unterschiedlichen Themenstationen sind entlang des musealen Rundweges angeordnet und spiegeln räumlich das entsprechende Thema wider. Im Bereich der Themenstation „Grenzschließung“ entsteht ein zentraler Platz, der den Auftakt für das museale Freigelände bildet. Der historische, geschlossene Schlagbaum steht prominent als Hindernis vor der Brücke über den Tannbach. Sein bewusstes Umgehen macht das Thema der Grenzschließung in besonderer Weise erfahrbar. Die Themenstation „Mauerbau und Maueröffnung“ ist länglich entlang des „Mauerweges“ verortet und erzeugt wichtige Sichtbeziehungen in östlicher und westlicher Richtung. Es wird ein Panorama erzeugt, durch das man einen Großteil des Mauerverlaufs durch Mödlareuth nachvollziehen kann. Die Themenstation „Grenzüberwachung Ost“ ist im zentralen Bereich des Freigeländes positioniert. Sie nimmt durch ihre Ausrichtung starken Bezug auf den historischen Wachturm und schafft so eine Bühnensituation im Kontext des Wachturms. Der Besucher ist dem Turm „ausgeliefert“. Die nachfolgende Themenstation „ Grenzbeobachtung West“ ist vor dem Tannbach gelegen und ermöglicht den den Blick auf den historischen Mauerabschnitt aus der westdeutschen Perspektive. Die Themenstation „Republikflucht“ am ehemaligen Standort der „unteren Mühle“ rückt deren Grundmauern ins Blickfeld und ermöglicht ein informelles Erkunden der freigelegten Ruine. Der Panoramablick von der Themenstation „Grenzzaun“ am Übergang vom Dorf zur Landschaft führt hier dem Besucher besonders räumlich eindrücklich den Charakter der Sperranlagen vor Augen. Alle Themenstationen sind aufgrund ihrer Materialität und räumlichen Ausprägung von hohem Wiedererkennungswert: Eine Kombination aus mit Trittrasen eingesäter wassergebundenen Wegedecke und Podestplatten mit identischer Betonoberfläche wie der Museumsneubau konnotieren die Themenstationen in Ihrer Materialität mit der Unmenschlichkeit der Grenzsicherungsanlagen. Die Stationen sind jedoch durch die an den Stampfbeton des Museums angelehnte Oberflächenstruktur und -farbigkeit sehr deutlich als neue Setzung lesbar. Der museale Kernbereich wird von allen nicht historischen Elementen befreit, so dass die Beschränkung auf die originalen Grenzsicherungselemente die historische, bedrückende Atmosphäre umso deutlicher ins Bewusstsein der Besucher hebt.

Markierung in der Feldflur
Um den Grenzverlauf auch außerhalb des musealen Kernbereichs für die Besucher weithin sichtbar zu machen, markieren in der nordöstlichen Feldflur jeweils 5 Säuleneichen alle Knickpunkte im ehemaligen Grenzverlauf.

ARGE
Benkert Schäfer Architekten
GTL Landschaftsarchitektur

Standort

Mödlareuth

Typologie

Wettbewerb | Neubau | Öffentlich | Bildung | Museum | Freiraumplanung | Städtebau

Auslober

Zweckverband Deutsch-Deutsches Museum Mödlareuth

Ergebnis

4. Preis

Projektleitung

Martin Lodde | Stefan John

Mitarbeit

Susanna Manzke | Kai Gebhardt

Wettbewerb

2019
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