Setzung und städtebauliche Fügung – das Montessori-Zentrum Nürnberg wächst zusammen
Durch die Positionierung zweier neuer Baukörper – das Kinderhaus westlich und die Sekundarschule östlich, entsteht mit den Bestandsbauten ein gemeinsames Ensemble aus unterschiedlichen Bausteinen entlang eines gemeinsamen Erschließungsbandes von West nach Ost. Von der bestehenden Grundschule und dem Haus der Kinder am neu formulierten Maria-Montessori-Platz, über das neue Montessori-Forum um die Sekundarschule, bis hin zum zukünftigen Montessori-Café an der MOS und der Kinderkrippe entsteht ein Ort der Verbundenheit und Gemeinschaft, als Grundlage für ein kontinuierlich, begleitetes Lernen im neuen Montessori-Zentrum Nürnberg. Das gewünschte Programm in zwei unterschiedlichen Häusern unterzubringen, fördert die Adressbildung und erleichtert die Orientierung. Beide neuen Baukörper sind im Wesentlichen nach Westen und Osten orientiert, um so sich vom Schall der Bahn und der Straße abzuwenden. Sowohl die Sekundarschule als auch das auf dem Bahnniveau liegende Kinderhaus werden ebenerdig erschlossen, ein schwellenloser Zugang ist gegeben. Barrierefreiheit für das Kinderhaus ist zusätzlich durch eine eigene Zuwegung über die bestehende Zufahrtsrampe im Osten gegeben.
Die Topographie des Geländes bietet differenzierte Vielfalt – Orte mit unterschiedlichen Qualitäten entstehen
Über den Maria-Montessori-Platz an der Dr. Carlo-Schmidt-Straße werden die Grundschule und die Turnhalle angebunden, ein verkehrsberuhigter Bereich mit Bushaltestelle wird geschaffen. Eine großzügige Treppenanlage am Montessori-Forum vermittelt zwischen Straßen- und Bahndammniveau, ist Treffpunkt und kann im Sommer als Tribüne genutzt werden. Der Eingang zur Sekundarschule liegt auf Straßenniveau, das erhoben auf dem grünen Bahndamm gelegene Kinderhaus wird von dort erschlossen. Der Garten der Kinder liegt mit einer Mauer zur Bahn geschützt im Südwesten, die Freibereiche für den Hort im Osten des Kinderhauses. Der Schulhof für die Sekundarstufe liegt im großzügigen Eingangsbereich der Schule und leitet mit terrassierten Ebenen auf das östlich gelegene Gelände mit Montessori-Café und MOS über.
Außenraum
Die Gestaltung der Außenräume bietet den Kindergartenkindern, den Hortschüler und der Schülern der Sekundarstufe I ein für die jeweilige Altersgruppe adäquates Angebot für den Aufenthalt im Freien. Die Spielbereiche des Kindergarten werden, so weit irgend möglich, aus natürlichen Materialien erstellt. Kleine Geländemodellierungen, ein robuster Dschungel aus lebenden Weiden und ein großer Sandkasten mit geschwungenem Spieldeck, Bauwerksgerüst und Wasserspiel bieten vielfältige, kreative Spielmöglichkeiten. Ein kleiner Rutschenturm, der weitgehend aus austreibenden Weidenstämmen konstruiert ist, und eine Nestschaukel laden zu ausgelassenen Bewegungsspielen ein. Unter dem Gebäuderücksprung ist längs der Wand zur Bahn hin ein Klettergerüst mit Kuschelboxen platziert, das den Aufenthalt draußen auch bei Dauerregen ermöglicht. Auf der Terrasse zwischen den Gruppenräumen lässt ein kindgerechtes Hochbeet Raum für erste Pflanz- und Saatexperimente. Der Freiraum für den Hort bezieht die Sitzstufenanlage ein und ist so auf beiden Ebenen nutzbar. Ein großes Spielgerüst längs der Grenze zur Bahn bietet verschiedene Ebenen zum Chillen und zum Rückzug genauso wie integrierte Angebote für verschiedene Bewegungsspiele. Sie wird ergänzt durch eine Kletterwand zum Bouldern. Die Rasenfläche ist, abgesehen von einem Deck im Baumschatten, von Einbauten freigehalten, um die Bewegungsfläche möglichst groß zu halten. Der Innenhof bietet Raum für ungestörtes Basteln und Lernen an der frischen Luft. Das Dach ist betretbar und kann für Urban Farming, Bienenzucht und Unterricht in kleinen Gruppen genutzt werden, wobei die Begrünung mit besonderem Augenmerk auf Bienenfreundlichkeit ausgeführt wird. Auch die beiden Ebenen des Schulhofes werden wie beim Hort durch Sitzstufen und einen Treppenlauf verbunden. Durch die direkte Anbindung an den Hortbereich können in den Pausen die Anlagen gemeinsam benutzt werden. Besonders in den Freistunden bieten die Chilldecks Platz zum Klönen, Sonnenbaden und entspannten gemeinsamen Lernen.
Das Kinderhaus auf dem grünen Bahndamm
Das eingeschossige Kinderhaus gliedert sich in den Kindergarten nach Westen, den Hort nach Osten und einen gemeinsamen Mehrzweckraum mit Innenhof dazwischen. Über eine gemeinsame Erschließungsachse von Ost nach West, sind die auch getrennt nutzbaren Teilbereiche erreichbar, gegenseitige Besuche und eine gemeinschaftliche Nutzung sind möglich. Alle Räume der Kinder sind direkt und ruhig nach außen orientiert, lediglich der Personalbereich liegt mit blendfreien Tageslicht versorgten Arbeitsplätzen nach Norden zur Bahn. Der Hauptzugang zum Garten ist über eine Matschschleuse organisierbar. Die Freibereiche für den Kindergarten ist abgeschieden nach Südwesten, der für den Hort nach Nordosten zur Schule hin orientiert. Dazwischen liegt der kontemplative Innenhof, der auch für gemeinsame Aktivitäten Spielraum lässt. Trotz eingeschossiger Bauweise nutzt das Kinderhaus die Topographie – ebenerdige Anschlüsse in die Gartenflächen, Stellplätze für den ruhenden Verkehr darunter und Urban Gardening auf dem Dach darüber. Die Gruppenräume im Hort erhalten teilüberdeckt eine Galerieebene, der Austritt zum Dachgarten ist möglich.
Die Sekundarstufe – Ort sozialen Lernens am Montessori-Forum
Der Baukörper der Sekundarschule liegt entlang des Erschließungsbandes im Montessori-Zentrum Nürnberg und öffnet sich sowohl nach Osten zum Schulhof, als auch nach Westen in Richtung der Primarstufe. Eine großzügige Treppenanlage, indoor und outdoor ist nicht nur Erschließung für die nächst höhere Ebene, sondern bietet mit einer Innen- und Außenbühne auch vielfältige Möglichkeiten zur Kommunikation und Darstellung für die Heranwachsenden. Gemeinsam mit dem Musiksaal und dem Mehrzweckraum lassen sich unterschiedlichste Musik- und Theateraufführungen organisieren. Ein zentral gelegener Aufzug ermöglicht Barrierefreiheit im ganzen Haus und ist auch über kurze Wege vom Kinderhaus erreichbar. Auf dem Bahndammniveau liegen gemeinschaftliche Nutzungen wie Bibliothek, Küchenbereich und Mensa mit einem direkten Anschluss zu einer Gartenterrasse im Osten. Verwaltung und Lehrbereich liegen um den Luftraum der Pausenhalle organisiert. In den beiden Obergeschossen liegen schließlich die Lernräume für die Schüler der Jahrgangstufen 7 – 10. Durch die Anordnung der Lerncluster nach Süden und der Fachräume nach Norden sind diese separat erreichbar und so müssen Marktplätze nicht durchquert werden und können auch Fachoberschüler die Räume für naturwissenschaftliches Arbeiten erreichen. Die 4 Klassenbereiche einer Stufe sind auf einer Ebene um einen Marktplatz organisiert. Es sind offenen Lernlandschaften, aber auch flexibel abtrennbare Lernräume möglich. Ein Lichthof spendet zusätzlich Tageslicht und zoniert weitere Raumnischen. Der Lehrerteamraum ist zentral gelegen und bietet einen idealen Überblick.
Konstruktion und Material – eine Symbiose aus Bezug zum Ort und Nachhaltigkeit
Für die Neubauten des Montessori-Zentrum Nürnberg wird eine Stahlbeton-Skelettbauweise vorgeschlagen, die im Sockelbereich mit einer gedämmten und hinter lüfteten, hellen Ziegelschale verkleidet und in den Obergeschossen mit Holz-Leichtbau-Wandelementen mit sägerauher Schalung als Außenwände vorgefertigt wird. Diese Hybridkonstruktion nutzt zum Tragen und Speichern die Vorteile des Massivbaus und zum Dämmen und für einen CO2-neuralen Baustoff die Vorteile des Holzbaus.
Lerncluster
Die beiden oberen „Lerngeschosse“ der Sekundarstufe werden durch den zentralen, großzügig gestalteten Flurbereich samt freistehender Treppe unterteilt. Der „nördliche“ Teilbereich beinhaltet die Fachräume, Werken, Zeichen sowie die Naturwissenschaften und IT. Eine Durchquerung des Lernhauses und die damit verbundenen Störungen können ausgeschlossen werden. Ein ungestörtes Arbeiten ist somit für beide Bereiche gewährleistet. Die Nebenräume der Fachbereiche sind mit den jeweiligen Fachräume direkt verknüpft. Eine nach Norden ausgelegte Belichtung stellt insbesondere für die kreativen Bereiche wie Zeichen oder Werken eine ideale Ausrichtung dar. Zusätzliche Überhitzung, insbesondere im IT Bereich durch indirekte Sonneneinstrahlung, sowie blendfreies arbeiten an den Monitoren wird somit gewährleistet. Der „südliche“ Bereich stellt das Lernhaus dar. Im Herzen des Cluster befindet sich der Marktplatz. Die 4 Klassenräume jeweils einer Stufe (7/8 und 9/10) gruppieren sich um den Marktplatz herum. Die Belichtung ist jeweils nach Osten bzw. nach Westen ausgerichtet. Die entstanden Zwischenräume stellen temporäre, zuschaltbare, flexible Lernbereiche dar. Ausweichräume, Gruppenräume usw. ermöglichen dass Einzelne und Kleingruppen konzentriert an den unterschiedlichsten Projekten und Aufgaben ungestört arbeiten können. Oberhalb des Marktplatzes befindet sich in zentraler Lage der Teamraum Lehrer. Diese Situierung ermöglicht eine sehr gute Überschaubarkeit des gesamten Lernhauses. Das Lernhaus ist flexibel und transparent aufgebaut. Ein hoher Grad an Transparenz gestärkt durch Lichteinfall/Lichtdurchflutung durchzieht das ganze Geschoss mit all seinen Räumen. Ein-, Aus, und Durchblicke sind Teil des Entwurfsgedanken. Eine zusätzliche Lichtachse erfolgt über die Z-Achse. Der dadurch entstandene Lichthof im inneren des Gebäudes zieht sich von oben über die beiden Lerngeschosse bis hin in den überdachten Bereich des Schulhofes durch. Die Idee des offenen lichtdurchfluteten Lernhauses wird dadurch nochmals gestärkt!
ARGE
Prof. Gunther Benkert
GTL Landschaftsarchitektur